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Wissenschaftlerinnen der H-BRS forschen für Insektenvielfalt

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Der Biodiversitätsverlust macht auch vor Naturschutzgebieten nicht halt. Acht wissenschaftliche Institutionen haben vier Jahre an 21 repräsentativ ausgewählten Standorten interdisziplinär die Hintergründe erforscht. Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) ist der Frage nachgegangen, wie der Insektenschutz die Landwirtschaft herausfordert – und wie es im Dialog mit allen Akteuren besser funktionieren kann.

Naturschutzgebiete sind eines der wichtigsten Instrumente zum Erhalt der biologischen Vielfalt. Diese Funktionen können sie jedoch kaum oder nur eingeschränkt erfüllen, wenn sie negativen Umwelteinflüssen ausgesetzt sind. Im Forschungsverbundprojekt DINA (Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen) haben acht Projektpartner die Wirksamkeit von Schutzgebieten untersucht, die an landwirtschaftlich genutzte Flächen grenzen. Dabei wurde an 21 Standorten in Deutschland die Vielfalt von Insekten erfasst, die Vegetation vom Rand zum Kern des Schutzgebiets sowie Bodenproben und vieles andere mehr analysiert. Die Daten geben Aufschluss über die Ursachen des Verlustes der Insektenvielfalt.

„Unsere sozio-ökologischen Untersuchungen ergaben, dass die Notwendigkeit des Insektenschutzes allgemein akzeptiert ist. Die Rahmenbedingungen sind entscheidend: Landwirte als Hauptbeteiligte drängen auf mehr Wertschätzung und Planungssicherheit sowie eine angemessene Förderung und Flexibilität zur Umsetzung biodiversitätsfördernder Maßnahmen“, sagt Professorin Wiltrud Terlau von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. „Damit Schutzmaßnahmen wirklich umgesetzt werden, braucht es die Akzeptanz aller Beteiligten aus Landwirtschaft, Landschaftspflege, Naturschutz, Politik und Zivilgesellschaft. Die Analysemethoden und Dialogformate, die unsere Projektpartner und wir im DINA-Projekt erarbeitet haben, können auf andere Naturschutzgebiete in Deutschland übertragen werden“, so die Direktorin des Internationalen Zentrums für Nachhaltige Entwicklung (IZNE) an der Hochschule weiter.

 

Die Ergebnisse des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten interdisziplinären Forschungsprojekts liegen nun vor. Eine zentrale Erkenntnis lautet: Selbst in Naturschutzgebieten schreiten der Verlust von Artenvielfalt und Lebensräumen ungebremst voran. Denn: Schutzgebiete beinhalten und sind umgeben von Ackerflächen - auch mit konventioneller Nutzung. Insekten in Naturschutzgebieten fliegen Nutzpflanzen in einem weit größeren Umfang als bisher angenommen zur Nahrungssuche an, sodass angrenzende Ackerflächen sich nachteilig auf Vorkommen gefährdeter Arten im Randbereich der geschützten Lebensräume auswirken.

 

Die Wissenschaftlerin hat gemeinsam mit Angela Turck, wissenschaftliche Mitarbeiterin des IZNE, mit sozialwissenschaftlichen Methoden die Perspektiven insbesondere der Landwirte, die als Hauptbeteiligte ermittelt wurden, erforscht. Das IZNE hat dafür in einem mehrstufigen Verfahren zunächst mit Fragebogen die Herausforderungen und Bedürfnisse der Landwirte in den ausgewählten Projektgebieten ermittelt. Im weiteren Verlauf wurden mit Landwirten Interviews und Fokusgruppendiskussionen durchgeführt. Das Bonner Meinungsforschungsinstitut dimap führte diese im Auftrag aus. Begleitet wurden die Untersuchungen durch Befragungen von weiteren Interessenvertreterinnen und Interessenvertretern, um eine erhöhte Perspektivenvielfalt und Einblicke in die Heterogenität der Akteurs-Ansichten zu erlangen. In Diskussionen mit den Landwirtinnen und Landwirten erörterten die Wissenschaftlerinnen Fragen zu bestehenden und möglichen Aufwandsentschädigungen, finanziellen Anreizen, zu Ansprüchen und Anforderungen der unterschiedlichen Akteure und zur Motivation zum Insektenschutz. In einem partizipativen Workshop hat die Hochschule schließlich gemeinsam mit den unterschiedlichsten Interessengruppen Handlungsempfehlungen erarbeitet, um die vielfältigen Anliegen rund um ein Naturschutzgebiet im Sinne der Artenvielfalt zusammenwirken zu lassen.

 

„Insekten- und so auch der Biodiversitätsschutz sollte als eine Gemeinwohldienstleistung anerkannt werden, bei der die Kosten nicht allein von den Hauptbeteiligten getragen werden. Die Gesellschaft als Ganzes profitiert vom Schutz der Biodiversität, da sie wichtige Ökosystemdienstleistungen erbringt. Es ist daher gerechtfertigt, dass diese Kosten auch durch die Gesellschaft getragen werden, beispielsweise durch gezielte Förderprogramme“, sagt Wissenschaftlerin Angela Turck.

 

Die wissenschaftlichen Einrichtungen des DINA-Projekts haben aus ihrer gemeinsamen Forschungsarbeit vier zentrale Empfehlungen zum wirksamen Schutz der Insektenvielfalt abgeleitet. So plädieren sie dafür, bei der Landschaftsplanung die umliegenden landwirtschaftlichen Flächen von Schutzgebieten stärker zu berücksichtigen. Das Biodiversitäts- und Umweltmonitoring sollten ausgebaut und die Rahmenbedingungen für Insektenschutz verbessert werden. Sie unterstreichen die Notwendigkeit der Mitwirkung und der Akzeptanz aller Beteiligten.

 

 

Hintergrund

Im Projekt DINA (Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen) wurde von Mai 2019 bis April 2023 an 21 Standorten die Insektenvielfalt und deren Belastung aus den umliegenden landwirtschaftlich genutzten Flächen erfasst. Die Naturschutzgebiete im gesamten Bundesgebiet waren repräsentativ ausgewählt worden und gehören gleichzeitig dem EU-Schutzgebietsnetz Natura 2000 an. Neben der Erfassung von Pflanzenvielfalt und Insektendiversität durch neuartige DNA-Analysen wurden auch Daten zu Landnutzung und Pestizidbelastung von Böden, Vegetation und Insekten erhoben.

Begleitend wurden Befragungen und Fokusgruppendiskussionen mit Landwirtinnen und Landwirten als Hauptbeteiligte durchgeführt, um die Rahmenbedingungen für die Akzeptanz von Maßnahmen für den Insektenschutz zu untersuchen. Zusätzlich fanden an drei DINA-Standorten vertiefende Dialogworkshops mit Akteurinnen und Akteuren aus Naturschutz, Landwirtschaft und weiteren Interessengruppen statt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat das Projekt mit einer Gesamtsumme von 4,6 Millionen Euro gefördert. Die Projektkoordination lag beim NABU.

 

INFO:

Das Internationale Zentrum für Nachhaltige Entwicklung (IZNE) ist eine wissenschaftliche Einrichtung an der H-BRS. Es setzt sich in Lehre, Forschung und Transfer – auch unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen – für eine nachhaltige Entwicklung und verantwortungsvolles gesellschaftliches Handeln ein. Das Zentrum bündelt die technischen, naturwissenschaftlichen, wirtschaftlichen und interkulturellen Kompetenzen der H-BRS. Durch die praxisorientierte Ausrichtung initiiert und begleitet das IZNE nachhaltige Reform- und Veränderungsprozesse.